Otto Wagner und die Wiener Stadtbahn
Der Architekt Wagner hatte 1894 den größten Auftrag erhalten, der damals in seinem Metier überhaupt zu vergeben war und durfte dem aus vier Strecken bestehenden Stadtbahnsystem bei Planung und Bau ein einheitliches Gesicht geben. Mit Ausnahme der eisenbahntechnischen Komponenten war er für alles zuständig, von den gewaltigen Hochbauten wie Stationsgebäuden, Viaduktbögen und Brücken bis hin zur Gestaltung der Sitzbänke und Beleuchtungskörper und dem Entwurf einer Beschriftung, anzuwenden auf allen Informationsträgern. Sein Ziel war es, mit der Ausführung dieses Auftrags dem entstehenden Bahnsystem eine einheitliche, sorgfältig künstlerisch durchgestaltete Formensprache aufzuprägen und damit erklärtermaßen ein Massenverkehrsmittel zum Kunstwerk auf der Höhe der Zeit aufzuwerten. In den 1890er Jahren noch für den Dampfbetrieb errichtet, wurde die Stadtbahn nach dem Ersten Weltkrieg überwiegend kommunalisiert und mit recht bescheidenen Mitteln elektrifiziert. So blieb sie als eine Art Dauerprovisorium in Betrieb, doch erst der Einbezug in die neu aufgebaute U-Bahn brachte ihr in verkehrlicher Hinsicht die hohe Bedeutung, die sie heute auszeichnet. Unterdessen wurde auch die nicht in die Kommunalisierung einbezogene Vorortelinie nach jahrzehntelanger Stilllegung als S-Bahn reaktiviert und dabei brachte der Denkmalschutz die Otto-Wagner-Architektur zu erneuter Blüte. Auch auf den anderen Stadtbahnstrecken, so bei der noch laufenden Sanierung der Stationen der Linie U6 im Zuge der historischen Gürtellinie, wird heute großer Wert auf das architektonische Erbe Wagners gelegt, das ein ausführlicher Artikel in der neuen „stadtverkehr“-Ausgabe 5/2019 in Text und Bild würdigt.
Otto Wagner schuf für die Wiener Stadtbahn eine einzigartige Architektur, die heute als Erbe in vielen Anlagen der U-Bahn und der S-Bahn fortbesteht. Aufnahme: T. Naumann